Wer sein Rad liebt, der schiebt - oder trägt: die Original Heckmair-MTB-Transalp
Oberstdorf – Riva del Garda – 4.-9. Juli 2017
Erlebnisbericht von Andreas Wüstefeld
Eigentlich waren wir gewarnt: „Der Heckmair Andi ist ein Bergführer – der trägt sein Rad auch eben gerne über die Alpen“ hat mir der Huber Martin vom Bike & Snow in Holzkirchen noch mit auf den Weg gegeben, als ich ihm von unseren Planungen erzählte. Er muss es wissen, denn er ist selbst Bike-Guide für den DAV Summit Club und weiß also, wovon er spricht. Da aber auch mein alter Spezl Ferdl Bergführer ist, war das für ihn eher Herausforderung als Abschreckung, und so saß ich am 4. Juli 2017 früh morgens im Zug von Holzkirchen über München zum Start der Tour in Oberstdorf.
Die sogenannte „Heckmair-Route“ gilt als die „Mutter aller MTB-Transalp-Routen“: In der Tat soll der Oberstdorfer Bergführer Andi Heckmair 1990 von seiner Haustür aus mit dem MTB gestartet und auf alten Säumerpfaden eine knappe Woche später in den Gardasee gesprungen sein.
Bereits wenige Stunden nach dem Start vom Oberstdorfer Bahnhof weg wurde es dann tatsächlich durchaus alpin: Am Ende von Deutschlands südlichstem Tal begann der erste Bergpfad, bei dem eine Stunde geschoben und über Eisenbrücken sowie kurz auch entlang einem Stahlseil getragen wurde.
Was das Tragen anbelangt, schoss jedoch der Übergang „Schlappiner Joch“ von Österreich in die Schweiz den Vogel ab: Knapp zwei Stunden rauftragen über einen schmalen Bergpfad waren eher eine vollwertige Berg- als eine MTB-Tour, nachdem wir schon zuvor „zum Warmfahren“ ganz unten im Vorarlberger Montafon bei 30 Grad hochgeschwitzt sind. Die Vorfreude auf die Abfahrt war groß – und wurde um so mehr enttäuscht, denn uns erwartete ein hammersteiler Trail auf Schweizer Seite. Angesichts mangelnden Fahrkönnens meinerseits und wohl auch weil wir nach 2.400 Höhenmeter in den Beinen an diesem Tag schon ganz gut bedient waren, war also nochmals eine Stunde Schieben angesagt. Die Belohnung mit Bier und Nusstorte beim ersten Wirtshaus auf Schweizer Seite war uns dann auch locker lumpige 20 Franken wert.
Mit Ausnahme des Aufstiegs zum Passo di Cassana (mit knapp 2.700 Meter als Übergang vom Engadin nach Livigno das Dach der Tour), den wir in nur eineinhalbstündiger steiler Schieberei erklimmen konnten, blieben uns fortan solche Trageexzesse erspart. Dies aber auch nur, weil wir uns vorher intensiv schlau gemacht hatten und bei einer Etappe von der „Ur-Route“ Andi Heckmairs abwichen: Den Passo di Campo durch die Adamello-Gruppe haben wir uns erspart, denn selbst wohlmeinende Kommentare im Internet versprachen uns eine 4-stündige „nette“ Bergwanderung mit Rad auf der Schulter. Stattdessen umfuhren wir ihn südlich auf Asphalt über den knapp 1.900 Meter hohen Passo di Crocedomini. Angesichts von 34 Grad beim Beginn der Auffahrt auf 300 Meter Höhe im Tal und dem üblen Geknete mit dem Bike auf Teer wünschte man sich einen Servicemann herbei, der einem ein Rennrad und kühle Getränke anreicht. Aber wir wollten ja die Transalp bewusst „free solo“ fahren, sprich: alles Gepäck selbst am Mann und kein Begleitfahrzeug.
Den krönenden Abschluss bildete die herrliche Abfahrt vom Königspass des Gardasees, dem Tremalzo: 1.500 Meter über dem Gardasee fährt man dahin, ein langes Auf und Ab, das mit einem Zielbier im mediterranen Riva belohnt wurde.
Am Rande bemerkt: Fast wäre sie für uns vorbei gewesen, die Transalp. Ferdl hat sich auf der Tour den Magen verrenkt und ich schon vor der Tour die Schulter. Mit viel Glück und etwas Nachhilfe aus der Apotheke haben wir es aber glücklich, sturz- und plattenfrei überstanden. Und ohne einen einzigen Tropfen Regen bei einer fast schon herbstlich stabilen Wetterlage. In jeder Hinsicht ein Riesenglück und ein Geschenk, so etwas machen zu dürfen. Für Ferdl war es aber wohl seine letzte Transalp, mit 67 Lenzen will er fortan völlig verständlicherweise etwas kürzer treten, nachdem er in den letzten Jahrzehnten den Alpenbogen komplett mit dem MTB befuhr und nun seine Karriere mit der „Heckmair-Route“ krönte. Für mich war es die erste MTB-Transalp, und ich habe Blut geleckt. Aber ganz ehrlich: Gegen a bisserl weniger Rad-Schleppen hätte ich beim nächsten Mal nichts einzuwenden.
Und wer die Tour nachfahren will, hier ist unsere Originalstrecke, einschließlich der Transfer-Kurztour von Riva zum Bahnhof Rovereto im Etschtal:
https://www.bikemap.net/de/route/4097261-heckmair-mtb-transalp/widget/
Noch ein Tipp zum Abschluss: Soll die Heimfahrt nicht auch zum Abenteuer werden, so empfiehlt es sich, für die Rückfahrt statt auf die Bahn auf Fernbusse oder die regelmäßig vom Gardasee nach München verkehrenden Bikeshuttle-Busse zu setzen.
Und hier die Etappen und Pässe:
Tag 1: Oberstdorf - Dalaas (Vorarlberg): 59 km / 1.700 Höhenmeter
Pässe / Übergänge: Schrofenpass (1.689m) / Rauhes Joch (1.918 m)
Tag 2: Dalaas - Davos (Graubünden): 61 km / 2.800 Höhenmeter
Pässe / Übergänge: Kristberg (1.500m) / Schlappiner Joch (2.202m)
Tag 3: Davos - Livigno (Lombardei): 55 km / 2.200 Höhenmeter
Pässe / Übergänge: Scalettapass (2.606m) / Passo di Cassana (2.694m, "Dach der Tour")
Tag 4: Livigno / Ponte di Legno (Lombardei): 84 km / 2.250 Höhenmeter
Pässe / Übergänge: Passo di Alpisella (2.268m) / Passo di Gavia (2.621m)
Tag 5: Ponte di Legno - Ponte Caffaro (Lombardei): 105 km / 1.800 Höhenmeter
Pässe / Übergänge: Passo di Crocedomini (1.892m)
Tag 6: Ponte Caffaro - Riva del Garda: 60 km / 1.750 Höhenmeter
Pässe / Übergänge: Passo Tremalzo (1.834m)
Transfer-Etappe Riva - Bahnhof Rovereto: 21 km / 270 Höhenmeter
Summe: 445 km / 12.770 Höhenmeter